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Schwachstellen in der Belieferungsdisposition von Wertpapiergeschäften

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Kunde & Anforderung


Der Kunde – eine renommierte Privatbank – ist insbesondere in den Geschäftsbereichen Wealth Management, Asset Management, Investment Banking und Corporate Banking weltweit aktiv. Die geschäftliche Ausrichtung des Kunden fokussiert sich primär auf den Wertpapierhandel auf nahezu allen nationalen und internationalen Wertpapierbörsen. Gemäß den aufsichtlichen Vorgaben zum Schutz der Kundenfinanzinstrumente muss sichergestellt werden, dass ausschließlich die dem Kunden zuzuordnenden bzw. bereits gehörenden Wertpapierbestände bei der Belieferung von Wertpapiertransaktionen des jeweiligen Kunden verwendet werden.

Die Grundlage für die Erfüllung der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Lieferdisposition ist hauptsächlich in zwei gesetzlichen Texten verankert:

  • § 6 Depotgesetz
  • § 84 Abs. 6 WpHG (bzw. § 34a Abs. 4 WpHG a.F.)

Insbesondere zwei Begriffe werden im Zusammenhang mit dem Schutz der Kundenassets genannt: „Short Holdings“ und „Cross Disposition“.

Short Holding:

„Ein Short-Holding entsteht, wenn der zum Zeitpunkt des Wertpapierverkaufs ermittelte schuldrechtliche Bestand mit Erreichen der Valuta nicht vollständig beliefert wurde und eine vollständige Belieferung des Wertpapierverkaufs an die Lagerstelle instruiert wird.“

Cross Disposition:

„Das potenzielle Risiko der Cross Disposition besteht, wenn bei der Ermittlung des auf Kundenebene für die Belieferung eines Geschäfts zur Verfügung stehenden Bestandes nicht mit dem Wertpapierkauf korrespondierende marktseitige Liefererwartungen genutzt werden.“

Des Weiteren diente das Konsultationspapier zu dem Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die ordnungsgemäße Erbringung des Depotgeschäfts und den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaDepot) in der Fassung 07/2018 als Grundlage für die Durchführung der Analyse. Das finale Rundschreiben 07/2019 wurde erst kürzlich, am 16. August 2019, von der BaFin veröffentlicht und greift die bereits in Kraft befindlichen Vorgaben des Depotgesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes auf. Es konkretisiert die umzusetzenden Maßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Lieferdisposition sowie zum Schutz der Kundenfinanzinstrumente. Die Vorgaben zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Lieferdisposition bilden zudem den Kern der Vorgaben aus der Central Securities Depositories Regulation (CSDR), die in Teilen bereits umgesetzt wurde und in den kommenden Jahren umgesetzt wird.

Vor diesem Hintergrund konnte in der Handels- und Nachhandelsinfrastruktur des Kunden nicht festgestellt werden, welche Bestände (Kunden- bzw. Eigenbestände) für die Belieferung von Wertpapiertransaktionen verwendet werden. Es existierte keine Transparenz über technische oder prozessuale Verfahren bzw. Kontrollen, die Sicherung der Wertpapierbestände der Kunden gewährleisteten. Somit konnte nicht ausgeschlossen werden, dass es zu den von der Aufsicht monierten Short-Holdings und Cross Dispositionen in der Vergangenheit gekommen ist bzw. in der Zukunft kommen kann.

Die Risiken von Vorgriffen auf Kundenbestände zur Belieferung von anderen Wertpapiertransaktionen können innerhalb der gesamten Verarbeitungskette von Wertpapierorders auftreten, somit musste die gesamte Lieferkette aus Sicht des Kunden im Rahmen der Analyse auf potenzielle Schwachstellen und Einfallstore für Risiken untersucht werden.

Zielsetzung


Identifizierung von Schwachstellen und
nachhaltige Sicherstellung einer ordnungsgemäßen
Belieferungsdisposition von Wertpapiertransaktionen

Um die vollständige Compliance mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Lieferdisposition zu erreichen wurde ein 3-stufiges Vorgehen gewählt.

  • Im ersten Schritt erfolgte die Aufnahme aller an Wertpapierorderkette beteiligter Prozesse und Erstellung einer vollumfänglicher Prozesslandkarte.
  • Im Zweiten Schritt erfolgte die Identifikation und Bewertung der in den Prozessen vorhandenen Schwachstellen sowie die Ableitung von Maßnahmen zur Behebung der Schwachstellen.
  • Die dritte Stufe hatte die Umsetzung der geplanten Maßnahmen im Rahmen eines mittels agiler Projektmethoden geführten Projekts zum Ziel.

Drei wesentliche Projektziele waren für den Erfolg des Projekts ausschlaggebend:

  1. 1:1 Referenzierung Einführung einer individuellen Referenz, die eine eindeutige 1:1 Zuordnung der Kundengeschäfte zu Marktgeschäften weltweit gewährleistet. Zu diesem Zweck wurden alle Settlement-Wege von der Ordererteilung bis hin zur Verbuchung auf den Konten für alle Handelsplätze weltweit nach Kunden- und Eigenhandel getrennt.
  2. Belieferungskennzeichen Implementierung eines Kennzeichens auf Bestandsebene zur Identifikation eines belieferten bzw. unbelieferten Bestandes.
  3. Segregierung von Lagerstellen Trennung von Kunden- und Eigenbeständen für ALLE (inländische und ausländische) Lagerstellen durch Einrichtung von unterschiedlichen Bestandsdepots

Vorgehensweise


Einbindung der IT und Fachbereiche als
wesentlicher Erfolgsfaktor

Für die Identifikation der Schwachstellen in der Lieferdisposition sowie Ableitung der Maßnahmen zur Behebung der Schwachstellen mussten alle Bereiche entlang der Wertpapierhandelskette, beginnend beim Handel bis hin zum Settlement, eingebunden werden. Begleitet wurden die Maßnahmen ebenfalls durch die interne Revision, die Compliance-Abteilung sowie die Rechtsabteilung. Die agile Projektmethode ermöglichte die erforderliche enge Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und der IT. Die große Bedeutung des Projekts wurde durch die wöchentliche Abstimmung mit allen beteiligten Organisationseinheiten sowie der Geschäftsleitung unterstrichen. Sämtliche organisatorischen und technischen Maßnahmen wurden zentral geplant, gesteuert und überwacht. Die enge und intensive Projektsteuerung war erforderlich, um den, aufgrund der hohen Komplexität der Maßnahmen, auftretenden Abweichungen sofort entgegenwirken zu können. Zur Erreichung der Projektziele wurde auf eine ganzheitliche Lösung gesetzt, die organisatorische, technische und prozessuale Änderungen beinhaltete.

Leistungen


Stringentes Projektmanagement und fachliche Expertise als Erfolgsfaktor

Bei der Umsetzung der Maßnahmen zur Erreichung der Projektziele in der geplanten Zeit musste ein stringentes Projektmanagement eingesetzt werden. Zudem erwies sich Severns langjährige Expertise und Erfahrung in der Leitung von Projekten im Bereich der Wertpapierhandels- und Nachhandelsinfrastruktur sowie im Umgang mit Aufsicht und externen Prüfern als wesentlicher Erfolgsfaktor des Projektes. Severn übernahm in der Struktur unter anderem folgende Aufgaben:

  • Gesamtprojektleitung
  • Kommunikation mit der Aufsicht und externen Prüfern
  • Durchführung der Analyse zur Identifikation von Schwachstellen in der Lieferdisposition
  • Ableitung und Steuerung von geeigneten Maßnahmen zur nachhaltigen Behebung der strukturellen Schwachstellen in der Lieferdisposition
  • Methodische Qualitätssicherung und Prüfung von Vorgehensweisen anhand bewährter Marktstandards und –verfahren
  • Entwicklung und Etablierung von neuen Organisationseinheiten
  • Steuerung der Kommunikation zu internen Stakeholdern, Senior Management, internen und externen Prüfern sowie Aufsicht
  • Steuerung der Zusammenarbeit zwischen allen (weltweiten) involvierten Zweigniederlassungen und Tochterunternehmen
  • Erstellung von revisionssicheren Dokumentationen für das Projekt und den operativen Betrieb
  • Abschließende Bewertung der umgesetzten Maßnahmen

Ergebnisse und Kundennutzen


Nachhaltige Verankerung

Durch die Einführung der 1:1 Referenzierung für alle Handelsplätze weltweit kann die Zugehörigkeit eines Wertpapierbestandes zu einem Wertpapierkauf bzw. -verkauf entlang einer Wertpapierorderkette lückenlos nachverfolgt werden und die Vorgriffe auf Kundenbestände ausgeschlossen werden. Zusätzlichen Schutz der Kundenfinanzinstrumente bietet die Trennung der Kunden- von den Eigenbeständen auf allen Lagerstellen. Alle erforderlichen Prozesse zum Schutz der Kundenfinanzinstrumente sind erfolgreich implementiert und die erforderliche, prüfungssichere Dokumentation erstellt worden. Somit erfüllt der Kunde alle Anforderungen an den Schutz der Kundenfinanzinstrumente, wie er vom Depotgesetz, dem Wertpapierhandelsgesetz und den MaDepot gefordert wird. Die externe Prüfung bestätigte die vollumfängliche Compliance mit den gesetzlichen Vorgaben.